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"Gestorben wird immer - ich mache einfach danach sauber" Er hat mit Blut und Fäkalien zu tun, entrümpelt Wohnungen und tröstet auch mal Angehörige. Ein Tatortreiniger berichtet von seinem Beruf und wie ihn die gleichnamige Serie in seinem Alltag begleitet.

"Der klassische Mord kommt mir eher selten unter. Es sind meistens alte Menschen, die einsam sterben. Dann fällt es durch fehlende Verwandte lange nicht auf, dass sie tot sind. Häufig kommt es vor, dass die Toten sechs bis acht Wochen in ihrer Wohnung liegen - irgendwann bildet sich da natürlich ein starker Geruch. Ich werde dann gerufen, um den Fundort der Leiche zu reinigen.

Meistens werde ich telefonisch benachrichtigt. Manchmal sind es Verwandte, manchmal aber auch die Behörden und die Baugenossenschaften, die mich als selbstständigen Tatortreiniger beauftragen. Danach schaue ich mir den Fundort einer Leiche an - auch ich sehe ihn dann zum ersten Mal. Wichtig ist immer vorab zu klären, ob der Tatort von der Polizei freigegeben worden ist, sonst darf ich nicht in die Wohnung und mit den Aufräumarbeiten beginnen.


"Den Geruch von Tod vergisst man nicht"

Manchmal kommt es bei meiner Ankunft vor, dass die Angehörigen mit in die Wohnung wollen, um den Toten noch mal zu sehen. Viele möchten es nicht, aber Ausnahmen gibt es immer. Ich versuche die Leute davon abzuhalten, denn den Geruch vom Tod vergisst man nicht - auch ich hab mich bis heute nicht daran gewöhnt. Diesen Sinneseindruck möchte ich ihnen gerne ersparen.

Bei diesen Begehungen mache ich Fotos, damit ich meinen Auftrag vernünftig planen und schauen kann, wie viel entsorgt werden muss. Oft komme ich in vermüllte Wohnungen, das ist dann natürlich ein Mehraufwand. Manchmal ist die Leichenflüssigkeit auch tief in eine Matratze oder den Boden gezogen. Dann muss der Boden, beispielsweise Teppich oder Estrich, herausgerissen werden.

Wie groß der Schaden in einer Wohnung ist, kann ich mittlerweile bereits ungefähr anhand des Geruchs bestimmen. Aber wenn ich dann anfange, die Wohnung zu reinigen, trage ich eine Maske. Durch die rieche ich natürlich nichts. Außerdem habe ich immer einen Schutzanzug an, um mich zum Beispiel vor Krankheitserregern zu schützen, die sich am Fundort einer Leiche befinden können.

Generell ist Arbeitsschutz für Tatortreiniger wie mich mit das Wichtigste - ohne meine Stiefel, meine Handschuhe und meine Spezialmaske geht nichts. Außerdem habe ich natürlich spezielle Desinfektions- und Reinigungsmittel sowie diverse Gerätschaften zum Reinigen dabei."

Besonnen und zielstrebig arbeiten

Die Serie "Tatortreiniger", die lange im Fernsehen lief, prägt meine Arbeit schon ein wenig. Manchmal glauben die Leute, wir kommen von der Spusi (Spurensicherung), weil wir auch weiße Anzüge tragen. Aber dabei kommen wir doch, wie Bjarne Mädel als Tatortreiniger Schotty sagt, von der Spube (Spurenbeseitigung)! Ich habe auch ein Spube-Schild im Auto, das fotografieren die Leute gern.

Was auch immer wieder vorkommt, ist, dass die Leute fälschlicherweise glauben, wir würden zur Serie dazugehören. Das finde ich ganz lustig.

'Dreck ist nur Materie am falschen Platz.' Diesen Satz von Schotty zitiere ich gerne, wenn ich gefragt werde, wie es schaffe, in dem Beruf zu arbeiten. So versuche ich, neutral an meine Arbeit heranzugehen. Ich kann mir da einfach keine Gedanken machen, besonders wenn ich mich um große Mengen Blut und Fäkalien kümmern muss. Ich gebe mir Mühe, da einfach konzentriert, besonnen und zielstrebig durchzuarbeiten - ohne menschliche Schicksale zu nahe an mich heranzulassen.

Eine Stunde pro Quadratmeter

Ich arbeite nicht jeden Tag, einfach weil ich das körperlich nicht schaffen würde. Die Arbeit ist beschwerlich und extrem anstrengend: Die Geräte sind schwer händelbar, haben viel Gewicht und ich arbeite größtenteils auf den Knien. Einer meiner Meißelhämmer wiegt 15 Kilogramm - das ist sehr anstrengend. Um einen Quadratmeter zu reinigen, brauche ich geschätzt eine gute Stunde.

Wenn ich beispielsweise große Suizide in Bädern habe, wo sehr viel Blut im Spiel ist, dauert die Reinigung gerne mal so acht bis neun Stunden. Die Fliesen kann man abwischen, die Fugen sind schwierig. Da brauch ich dann Spezialwerkzeug wie zum Beispiel kleine Bürsten, mit denen ich die Zwischenräume besser erreiche.

Emotionale Fälle

Einmal hatte ich eine Situation, bei der ich mich um die Wohnung einer verstorbenen Frau kümmern musste. Ihre Tochter kam, nachdem ich fertig war, zu mir und fing an, sich mit mir zu unterhalten und sich zu bedanken. Irgendwann sagte sie 'Du komm, wir rauchen jetzt eine. Meine Mutter mochte das Rauchen zwar nicht, erst recht nicht in der Wohnung, aber wir machen das jetzt.' So stand ich dann da mit einer Zigarette in der Hand und ließ sie erzählen.

Wenn solche Situationen passieren, höre ich den Menschen zu. Den Leuten hilft es oft, dass einfach jemand da ist. Dass ich Menschen in diesen Situationen helfen kann, motiviert mich. Mein Gehalt ist da nicht so relevant. Ich sage immer: Es reicht, ich kann davon leben. Sonst würde ich diese Arbeit auch nicht machen.

Der Beruf ist unkonventionell - genauso wie mein Weg zu ihm. Vor zehn Jahren saß ich nach einem Urlaub in Ägypten am Flughafen. Zu dem Zeitpunkt war ich selbstständig, lebte jedoch am Existenzminimum. Ich kaufte eine Ausgabe von 'Welt der Wunder', in der ich eine Reportage über amerikanische Tatortreiniger las. Ich recherchierte dann, wie wir hier in Deutschland in Sachen Tatortreinigung aufgestellt sind - und entschied mich, den Job auszuprobieren.

Ich kaufte mir beim Metzger Schweineblut und fing an zu üben, wie man so was in einer Wohnung reinigen kann. Ich bin staatlich geprüfter Desinfektor, das heißt, ich habe einen dreiwöchigen Lehrgang gemacht und unter anderem gelernt, wie man mit Desinfektion umgeht, sterilisiert und korrekt saubermacht. Damit unterscheide ich mich von vielen, die angeben, Tatortreiniger zu sein. Eine geschützte Berufsbezeichnung gibt es nicht.

Am Ende des Tages habe ich oft ordentlich was geschafft. Aber so richtig spannend ist mein Beruf eigentlich nicht. Gestorben wird immer - ich mache einfach danach sauber."

Link zu Spiegel Online:
Ein Tatortreiniger erzählt "Gestorben wird immer - ich mache einfach danach sauber"